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beschrnkte Meinungsfreiheit herrschte, traten einige berspannte junge Männer zu einer Gesellschaft zusammen, in welcher sie den Saint-Simonistischen Ideen eine praktische Anwendung zu geben suchten. Der Grundsatz gemeinsamen Eigenthums, der Vertheilung des Ertrags der Arbeit nach Verdienst und Be-fhigung wre, als leeres Hirngespinst, an der Unmglichkeit der Durchfhrung gescheitert, aber die Lehre von der Auf-Hebung der Ehe und der sogenannten freien Frau" griffen die sittlichen Grundlagen des Staates und der Gesellschaft an. Uneinigkeit unter den St. Simoniften selbst fhrte zu einer gerichtlichen Klage, in Folge deren ihre Versammlungen ver-boten und die Hupter bestraft wurden. Zwar verschwand nun der St.-Simonismus bald, mu aber doch als Vorlufer der spteren social-communistischen Richtung betrachtet werden, da seine praktischen Lehren von einer Umwlzung der Eigenthumsverhltnisse und von der Aufhebung der Erblich-feit des Eigenthums fortwhrend auf die niederen Kreise des Volkes einen starken Einflu bte, den Ha der Parteien steigerten und die franzsische Gesellschaft in feindliche Lager zerrissen.
Perier's letzte politische That war die Besetzung Anconas (vergl. Xi.), welche der Uebermacht der Oestreicher in Italien das Gegengewicht bieten sollte. Sie dauerte sieben Jahre, eben so lange als die Oestreicher in der Romagna blieben. Als im Frhjahre 1832 die Cholera zum ersten Male Paris heimsuchte, und der Pbel die neue Krankheit einer Brunnen-Vergiftung zuschrieb, einige Menschen sogar als vermeintliche Vergifter zerri, besuchte der König mit Pener die Choleraspitler, um das Volk zu ermuthigen. Einige Tage darauf wurde Perier selbst, dessen Gesundheit durch den steten Kampf mit den Parteien geistig und krperlich angegriffen war, von der Cholera befallen und starb am 16. Mai 1832. Sein Tod verursachte mehr stille Freude, als aufrichtige Trauer. Selbst Ludwig Philipp, den die gewaltige Haltung des Mi-nisters etwas in den Hintergrund gedrngt hatte, sprach diese gemischte Stimmung in den Worten aus: Die Zukunft wird lehren, ob Perier's Tod ein Glck oder ein Unglck ist." Und doch war es die Energie dieses Staatsmannes, die dem Juli-throne nicht allein während seiner Verwaltung Ruhe und
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Philipp Ludwig Philipp
Extrahierte Ortsnamen: St.-Simonismus Italien Paris
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zuges, der sich an ihn anlehnt. Mehrmals muten die Deutschen vor der sich immer verstrkenden Uebermacht des Feindes weichen: unter furchtbaren Verlusten drangen sie wieder vor und schlssen ihre gelichteten Reihen. Da bernahm General v. Goeben das Commando und gab dem Angriff gegen den rechten Flgel des Feindes eine mehr umfassende Richtung und es gelang, die jenseitige Waldlisiere zu ge-Winnen. Um aber Herr des Plateaus zu werden, war es nthig, Cavallerie und Artillerie hinaufzubringen. Was un-mglich erscheint, ward in krzester Frist verwirklicht. Die schweren Geschtze klommen den Berg hinan, und trugen durch die Prcision ihrer Schsse wesentlich zum Gelingen des Ganzen bei. Smmtliche Batterien wurden unter den einheitlichen Befehl des Generals von Blow gestellt und hielten das ganze Plateau unter Feuer. Der Feind machte vier Frontangriffe, aber alle vier scheiterten an der unber-trefflichen Ruhe und Tapferkeit der Infanterie und an dem mit hchster"prcistm^ abgegebenem "Feuer der.....flankirend aufgestellten Batterien. Nunmehr gingen die Deutschen zu einem Offensivsto in die linke Flanke des Feindes der, und dieser gelang so vollkommen, da der Feind nach Spicheren zurck-geworfen wurde. Seine ganze Linie begann zu wanken, seine Kraft war gebrochen, und er gab eine Position auf, die er fr uneinnehmbar gehalten hatte.
Die Nacht war hereingebrochen, und die erschpften Truppen ruhten von der Blutarbeit des Tages aus. Alle Wege und Felder, die Abhnge und das Gestrpp waren voll zerschossener und zerfetzter Leichen, und die Pioniere hatten alle Arbeit, die Tobten dem Schooe der Erde zu bergeben. Die Bewohner von Saarbrcken gaben Zeugni echt vater-lnbischer Hingebung. Schon am Tage der Schlacht hatten sich sogar Frauen und Mbchen auf die Wahlstatt begeben, um mitten im Kugelregen den Verwunbeten Hlfe und Er-quickung zu bringen und Liebesbienste jeber Art zu erweisen. Die Spitler und Lazarethe lagen berfllt: um die nthige Zahl von Aerzten zu haben, wrben die benachbarten Berg-Werksrzte herbeigeholt.
Bei Spicheren hatten 27 preuische Bataillone, nur von ihrer Divisions-Artillerie untersttzt, gegen 52 franzsische
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38 -
Hoffnungen der Nation auf politische Einheit und Selbststn-bigfett, die seit Jahrhunderten unter den Italienern lebten und zu Zeiten immer wieder von neuem zum Durchbruch kamen, waren von ihm nicht erfllt worden. Und doch wre bei der abgesonderten Lage Italiens, bei der Einheit der Religion und der damit zusammenhngenden Vorstellungen und Sitten, die Verwirklichung der nationalen Hoffnungen hier leichter als in irgend einem anderen Lande gewesen. Im Gegensatz zu denselben grndete Napoleon nur zwei kleine Knigreiche, Neapel und Italien, und vereinigte alles Uebrige unmittelbar mit Frankreich, wodurch er sich den Adel eben so sehr entfremdete, wie die Geistlichkeit durch seine Streitig-feiten mit dem Papste. Gleichwohl hatten die Italiener durch Napoleons Herrschaft die guten Errungenschaften der franzsischen Revolution, Gleichheit der verschobenen Classen vor dem Gesetze, Freiheit der Glte, des Eigenthums und der Gewerbe kennen gelernt; zahllose Mibruche und drckende Einrichtungen waren geschwunden, und das nationale Selbst-gefhl in den gebildeten Stnden so gestiegen, da man auch nach Napoleons Sturz eine gesunde politische Fortentwickelung hoffte.
Diese Hoffnung wurde durch die Wiedereinsetzung der von der Revolution und Napoleon gestrzten Regentenhuser bitter getuscht. Ohne Rcksicht auf die während ihrer Ab-Wesenheit eingetretenen Verbesserungen knpften sieu nmittelbar an die alten Zustnde an und lieen nur die Einrichtungen bestehen, die ihrer Herrschaft mehr Macht und Glanz ver-liehen. Whrend die einzelnen italienischen Regierungen ihren Vlkern auch nicht den mindesten Antheil an der Staatsverwaltung gestatteten, war Oestreich, im Besitz von Mailand und Venedig, entschlossen, eine unbedingte politische Suprematie der die Halbinsel auszuben, und hatte sogar durch besondere Vertrge mit Sardinien und Neapel, den mchtigsten Hfen, die Erhaltung der unumschrnkten Monarchie und die Fernhaltung der liberalen Richtung frmlich ausbedungen. So erschienen smmtliche Staaten Italiens als Oestrichs Vasallen.
König Ferdinand Iv. von Neapel, der sich nach seiner Rckkehr Ferdinand I., König beider teilten, nannte, hob die
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleons Napoleons Napoleon Oestreich Ferdinand_Iv Ferdinand Ferdinand_I. Ferdinand_I.
- 280 -
zu adoptiren. Das Volk besttigte das Senatsconsult mit 7,824,189 gegen 253,145 Stimmen. Am 2. December, am Tage des berhmten Staatsstreiches, wurde der Prsident Zum Kaiser ausgerufen.
Xx.
Der orientalische Krieg (Krimkrieg). (1833-1836.)
Whrend die mchtigsten Staaten Europas durch die Strme der Revolution und die Kmpfe der Jahre 1848 und 1849 sich abgeschwcht hatten, glaubte Rußland, von den Erschtterungen der Zeit unberhrt, sich dem letzten Ziele seiner Politik, der Eroberung des trkischen Reiches, ungestrt nhern zu knnen. Kaiser Nicolaus, der die orientalische Frage nie aus den Augen verloren, glaubte den geeigneten Augenblick zur Ausfhrung eines solchen Unternehmens ge-kommen. Frankreich, wo Louis Napoleon eben den Kaiser-thron bestiegen hatte, schien nach den inneren Kmpfen zu erschpft und zu sehr mit Wiederherstellung der eigenen Jnter-essen beschftigt, als da es auf weitaussehmde Unter-nehmungen htte eingehen knnen. In Englcnd, wo es Grundsatz war, die Trkei nicht unter Rulands Lotmigkeit fallen zu sehen, hatte Nicolaus damals so einf.ureiche An-Hnger, besonders an dem Premierminister Lcrd Aberdeen, da er mit dieser Seemacht sich leicht verstndigen zu knnen hoffte. Bei der Abneigung der britischen Natior. gegen Napoleon Iii. schien ein Bndni der beiden Westmchte gegen Rußland hchst unwahrscheinlich, und einzeln dar keine dem nordischen Kolo gewachsen. Oestreich war >em russischen Czaren wegen der Untersttzung im ungarische Kriege zum Dank verpflichtet, und der Zustimmung Preu-ns glaubte er sicher sein zu drfen. Bei der zunehmenden imeren Schwche der Trkei sah Kaiser Nicolaus in dem Sultan nur einen kranken Mann", dessen Tod unvermeidlich uni dessen reiches
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Extrahierte Personennamen: Nicolaus Louis_Napoleon Napoleon Nicolaus Lcrd_Aberdeen Napoleon Oestreich Nicolaus
Extrahierte Ortsnamen: Europas Frankreich Englcnd An-Hnger
- 365
Die auf beiden Seiten einander gegenberstehende. Heeresmassen waren sich an Zahl und im Ganzen gleich Aber während die streichische Armee weit mehr altgediente Soldaten und kriegserfahrene Befehlshaber aufzuweisen hatte, wurde dieser Vortheil von den Preußen mehr als aufgewogen durch das durchschnittlich viel hhere Ma von Bildung der Mannschaften, wie durch die in allen ihren Schichten ver-breiteten Ideen der persnlichen Ehre, der Vaterlandsliebe und Opferwilligkeit. Die preuische Armee besa den unberechen-baren Vorzug der nationalen Einheit, während die streichische die bunteste Musterkarte von Nationalitten darstellte, die, ohne inneren Zusammenhang, nur durch das eiserne Band der Disciplin zusammengehalten wurden. Aber auch in materieller Beziehung hatte die preuische Armee Vorzge vor der streichischen. Die Infanterie besa durch das schnellere Feuer der Zndnadelgewehre eine entschiedene Ueberlegenheit, wie sie ihr im vorigen Jahrhundert die Ein-fhrung des eisernen Ladestocks gegeben hatte. Die Militr-Verwaltung, das Sanittswesen waren bei den Preußen in besserem Stande, als bei den Oestreichern; alle Theile der groen Maschine griffen regelmig in einander ein.
Benedek, aus dem angegebenen Grunde zur Defensive genthigt, verlegte, als er die Absichten der Preußen erkannte, sein Hauptquartier von Olmtz nach Josephstadt, in dessen Nhe die meisten Corps concentrirt wurden. Er konnte in-dessen jeden Augenblick zur Offensive bergehen, sich mit Uebermacht den getrennten Heeren entgegenwerfen, eins nach dem andern zurckschlagen und ihre Vereinigung hindern. Statt dessen schickte er gegen die Elb- und erste Armee, zu-sammen 140,000 Mann, den Grafen Clam-Gallas mit nur 60,000 Mann, und glaubte der schleichen Armee, so wie sie aus den Gebirgspssen hervorkam, je ein streichisches Corps gegen ein preuisches entgegenstellen zu mssen, wovon die Folge war, da eins seiner Corps nach dem andern geschlagen und vernichtet wurde.
Nach dem wohlberechneten Plane des Generalstabschefs von Moltke und des Kriegsministers von Roon rckten die Preußen von drei Seiten aus gegen Bhmen vor. Die erste Armee unter Prinz Friedrich Karl drang von der schsischen
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Extrahierte Personennamen: Benedek Moltke Friedrich_Karl Friedrich Karl
475
Einwohner muten hungern und frieren, da zuletzt auch Kleienbrod und Pferdefleisch (eine groe Ratte kostete einen : Thaler), sowie die Steinkohlen ausgingen. Untersttzt und ermuthigt wurden die Pariser in der Ertragung aller Stra-pazen und alles Elends durch den malosen Stolz auf ihre erhabene Weltstadt, die sie das Palladium der civilisirten Menschheit nannten. Bei ihrer tief eingewurzelten Gewohn-I heit, sich selbst zu bewundern und von Anderen bewundert zu werden, fuhren sie fort, ihren alten Illusionen zu frhnen. Man baute auf die Uneinnehmbarkeit der groen befestigten ; Stadt, auf ihre zahlreiche bewaffnete Bevlkerung, auf Unter-$ sttzung von auen her, auf die vermeintliche Scheu des 1 Feindes, das Jlium und Rom der modernen Welt grndlich zu beschdigen, und wollte nicht aus der halb natrlichen, halb knstlichen Rolle des Heldenthums fallen, deren Durch-fhrung man vor der ganzen Welt bernommen hatte."
Das Bombardement, welches Paris in bestndiger Angst erhielt, Menschen tdtete und Feuersbrnste entzndete, drngte Trochu, durch Massenausflle diesem Zustand ein , Ende zu machen, und so folgte denn vom 8. Januar 1871 an wieder eine Reihe verlustvoller Ausflle, von denen der .am 19. Januar es war der Tag der Schlacht von St. Quentin und des Rckzugs der Bourbaki'schen Armee bald den Umfang einer Schlacht annahm. Mit einem Heere von 100,000 Mann machten die Pariser vom Mont Valerien aus den letzten verzweifelten Versuch gegen die Drfer Buzenval und Garches, um den feindlichen Belagerungsring i zu durchbrechen. Zwar nahmen sie am Morgen die Hhen I bei Garches, aber am Nachmittag wurden sie durch das ^'furchtbare Geschtzfeuer der Deutschen und durch die Tapferkeit f'des V. Armeecorps in ihre Stellung zurckgeworfen. Erst j!die hereinbrechende Dunkelheit machte dem blutigen und hart-rmckigen Gemetzel ein Ende. Die Franzosen verloren 1200 ^Todte und hatten berhaupt einen Verlust von 10,000 Mann, ^während der Verlust der Deutschen viel geringer war. In Wolge dieser neuen Niederlage stellte General Trochu das ^Ersuchen um einen 48stndigen Waffenstillstand. Im deut-Aschen Hauptquartier lehnte man jedoch das Ansuchen ab, in ckder Ueberzeugung, da man die Wirkungen des Schreckens
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Extrahierte Ortsnamen: Rom Paris Bourbaki'schen_Armee
472
Vesoul erfuhr Manteuffel die glorreichen Kmpfe Werder's gegen Bourbaki. Sofort gab er seinen Plan, sich mit Wer-der zu vereinigen, auf, schob in khnen Mrschen seine bei-den Corps nach Sdwesten, und verlegte dem von Osten und Westen her verfolgten Feinde die Rckzugslinie nach Lyon. Endlich wurde das noch immer 7080,000 Mann starke Heer Bourbaki's, das aber durch Niederlagen, beschwerliche Mrsche, durch Hunger und Elend zur Verzweiflung gebracht war, in Folge der Sperrung der Jurapsse gezwungen, in die neutrale Schweiz berzutreten, (1. Februar), nachdem die siegreichen Gefechte der Deutschen bei Chaffois und Somba-court (29. Jan.) und bei la Clust (bei Pontarliers, 30. Jan.), in welchem die Franzosen 15,000 Gefangene verloren, die furchtbare Katastrophe zum Abschlu gebracht hatten. *) Am 1. Februar fiel auch nach Garibaldis eiligem Abzug Dijon wieder in deutsche Hnde. Bald darauf ergab sich auch das seit mehr als drei Monaten belagerte Belfort, das Obrist d'enfert mit Ausdauer und genialer Kunst vertheidigt hatte (16. Febr.). Er zog unter militrischen Ehren ab.
So waren denn vier Feldarmeen, von denen Paris seine Rettung erwartete, vernichtet und zersprengt, jede Aussicht auf Entsatz ging fr die Hauptstadt verloren, und der Schlu-act des gewaltigen Kriegsdrama's, der Fall der ungeheueren Weltstadt, war bereits eingetreten.
baldianer gerathen zu sehen, die einzige Fahne, die während des ganzen j Feldzuges von deutscher Seite verloren gegangen ist. Das Bataillon
hatte im Kampfe mit der Uebermacht nach dem Falle des Fahnen- j
trgers und seiner Nachfolger im Pulverdampfe die fehlende nicht be- j
merkt. Am anderen Tage fanden sie die Garibaldianer unter einem |
Hgel von Leichen, mit Blut getrnkt zerschossen und zerbrochen. Ric- I
ciotti Garibaldi gab in einem an General Kettlet gerichteten Schreiben, j
in dem er die Tapferkeit des Regiments rhmend anerkannte, von dem |
Aufsinden der Fahne genauere Kunde. I
*) Bourbaki, an Rettung verzweifelnd, wollte sich durch die Kugel
tdten, brachte sich aber nur schwere Verwundungen bei, von denen et j spter geheilt wurde.
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55
ding in die Stadt schaffen oder den Flammen übergeben
sollte, trat Laokoon, ein Priester des Apollo, in ihre Mitte
und ries: „Unselige Mitbürger, welcher Wahnsinn treibt euch?
Meint ihr, die Griechen seien wirklich davongeschifft, oder eine
Gabe der Danaer verberge keinen Betrug? Kennt ihr den
Odysseus so? Entweder ist eine Gefahr in dem Rosse ver-
borgen, oder es ist eine Kriegsmaschine, die von in der Nähe
lauernden Feinden gegen unsere Stadt angetrieben werden
wird! Was es aber auch sein mag, traut dem Thiere nicht!"
Mit diesen Worten stieß er eine mächtige eiserne Lanze, die
er einem neben ihm stehenden Krieger entriß, in den Bauch
des Pferdes. Der Speer zitterte im Holz und aus der Tiefe
tönte ein Wiederhall, wie aus einer Kellerhöhle. Aber der
Geist der Trojaner blieb verblendet.
Inzwischen zogen einige Hirten unter dem Bauche des
Rosses einen Griechen hervor, der auf den Rath des schlauen
Odysseus zurückgeblieben war, um durch eine ersonnene Er-
zählung die Trojaner über die Bestimmung des Pserdes zu
beruhigen und um so sicherer ihrem Verderben entgegen zu
führen. Vor den König Priamos gebracht, streckte Sinon,
so hieß der Grieche, flehend die Hände gen Himmel und
rief unter Schluchzen: „Wehe mir, welchem Lande, welchem
Meere soll ich mich anvertrauen, mich, den die Griechen aus-
gestoßen haben, und die Trojaner niedermetzeln werden!"
Diese Seufzer rührten die Jünglinge selbst, die ihn Anfangs
als Feind gepackt und roh behandelt hatten. Alle Krieger traten
theilnehmend herzu und hießen ihn sagen, wer und woher
er sei, auch guten Muthes sein, wenn er nichts Feindliches
im Sinne führe. Jener ließ die erheuchelte Furcht endlich
fahren und sprach: „Ich bin ein Argiver, das will ich ja
nicht leugnen: wenn Sinon auch unglücklich ist, so soll er
doch nicht zum Lügner werden. Vielleicht habt ihr etwas
von dem Fürsten Palamedes gehört, der von den Griechen
auf Odysseus Anstiften abscheulicher Weise gesteinigt wurde,
weil er den Feldzug gegen eure Stadt mißrieth: als sein
Verwandter zog ich in diesen Krieg, arm und nach seinem Tode
ohne Stütze. Und weil ich es wagte, mit Rache für die Er-
mordung meines Vetters zu drohen, zog ich den Haß des
falschen Odysseus auf mich und wurde diesen ganzen Krieg
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57
versöhnen, die gewaltige Maschine aufgeführt hätten als
Weihgeschenk der Göttin, und zwar von so unermeßlicher
Höhe, damit die Trojaner das Geschenk nicht durch ihre
Thore in die Stadt bringen könnten, weil alsdann der Schutz
der Göttin den Trojanern zu Theil werden würde; wenn
sich dagegen die Trojaner an dem hölzernen Pferde vergriffen,
so würde diese That ihrer Stadt Verderben bringen.
Priamos und die Trojaner schenkten dem Betrüger
Glauben und wurden noch mehr von der Wahrheit seiner
Erzählung überzeugt, als sich zu derselben Zeit ein Vorfall
ereignete, in dem sie eine Bestrafung des Priesters Laokoon
wegen seines frevelhaften Zweifels an der heiligen Bestim-
mung des Rosses sahen. Von der Insel Tenedos her kamen
zwei ungeheure Schlangen mit blutrothen Mähnen nach dem
Meere zu, und ihre Leiber bewegten sich in großen Ringen
unter dem Meere fort. Laokoon stand gerade mit seinen bei-
den Knaben am Meere und brachte ein Opfer. Da schossen
die Ungethüme auf die Knaben zu und ringelten sich um ihre
Körper, indem sie mit giftigen Zähnen das zarte Fleisch ver-
wundeten; als Laokoon den Knaben mit dem Schwerte zu
Hülfe eilte, schlugen die Schlangen ihre ungeheuren Windun-
gen auch um seinen Leib, vergebens suchte er sich loszumachen,
er erlag mit seinen Kindern den giftigen Bissen. Die Schlan-
gen aber schlüpften schnell nach dem Tempel der Athene und
verbargen sich unter der Bildsäule der Göttin.
Run zweifelten die Trojaner nicht mehr an den: heiligen
Roß, sie rissen einen Theil ihrer Mauern ein und zogen das
verhängnißvolle Geschenk jubelnd in die Stadt. Die Stimme
der weissagenden Kassandra, die allein von allen das drohende
Verderben ahnte, wurde überhört oder verachtet. Alle über-
ließen sich der Freude bei Schmaus und Gelag; Musik und
Gesang schallten durch die Räume der Stadt, und von Wonne
und Wein berauscht, sanken die Trojaner in tiefen Schlaf.
Da lief Sinon an den Strand des Meeres und gab durch
eine brennende Fackel den Griechen auf Tenedos das verab-
redete Zeichen. Hierauf öffnete er die Thüre am Bauche des
Rosses und heraus stiegen die gewaffneten Griechen. Sie
verbreiteten sich durch die Straßen und Häuser der Stadt
und richteten ein entsetzliches Blutbad an. Feuerbrände wurden
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Die Meder und Kissier drängend wüthend vor, aber eine
Menge von ihnen fiel und sie litten beträchtlichen Verlust.
Da sah der König ein, daß er Wohl viele Menschen, aber
wenig Männer im Heere hatte. Als das Treffen den ganzen
Tag gedauert hatte, und die Meder hart zugerichtet waren,
rückte Hhdarnes mit der Schaar der 10,000 Unsterblichen
vor und hoffte bald mit den Feinden fertig zu werden. Doch
auch sie richteten nichts aus, denn sie konnten in dem engen
Passe ihre kurzen Speers wenig gebrauchen und auch von
ihrer Uebermacht keinen Nutzen ziehen. Die Lacedämonier
aber fochten als tapfere und kriegskundige Männer; zu-
weilen wandten sie den Persern den Rücken und flohen;
wenn dann die Feinde ihnen nachjagten, schwenkten sie um
und rückten ihnen entgegen, wobei sie eine Menge der Perser
erschlugen, obschon sie selbst nur wenige Leute verloren. So
mußten sich auch die Perser unverrichteter Sache wieder zurück-
ziehen. Während des Handgemenges soll .Lerxes, der dem
Gefechte zusah, dreimal von seinem Stuhl aufgesprungen sein,
aus Besorgniß für sein Heer. Am folgenden Tage griffen die
Feinde an in der Hoffnung, die Griechen würden, da ihrer
so wenige wären, alle verwundet und nicht mehr im Stande
sein, einen Arm zu rühren. Aber sie standen in ihren Gliedern
und fochten, während die Phoker den Fußweg bewachten.
Auch an diesem Tage zogen sich die Perser ohne Erfolg
zurück.
Schwerlich hätten die Perser den Paß erobert, wenn
nicht ein Grieche, Ep hi altes, demckwrxesin seiner Verlegen-
heit den Fußpfad über das Gebirge verrathen und seine Lands-
leute ins Verderben geführt hätte. Dafür setzten die Griechen
in der Folge einen Preis auf seinen Kopf und Ephialtes
ward zum Lohn seines Verrathes späterhin erschlagen.
Lerxes aber nahm den Vorschlag des Ephialtes freudig
aus und ließ zur Abendzeit den Hhdarnes mit den Unsterblichen
aus dem Lager aufbrechen. Nun zogen die Perser die ganze
Nacht hindurch über das Gebirge und mit Anbruch der
Morgenröthe befanden sie sich auf der Höhe, wo 1000 schwer-
gerüstete Phoker den Pfad bewachten. Als diese das Laub
unter den Füßen der anziehenden Perser rascheln hörten und
ein großes Geräusch entstand, legten sie ihre Rüstungen an,
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